Das Programm für Freitag den 25. April war eigentlich ein kurzes Programm. Von Wewak, nach Ambunti, dann Blackwara, Hauna und Wewak. Der Flug von Wewak an der Küste nach Ambunti in der Mitte des Sepik-Beckens ist ein 40 Minuten Flug. Die höchsten Hindernisse sind das Küstengebirge bei Wewak mit ca. 500 Meter und der gleich hohe Berg Townsend, an dessen Fuß Ambunti liegt. In 1,3 Kilometer Höhe fliegt das Flugzeug am Morgen durch ruhige Luft, die noch von keiner Thermik oder sonstiger Verwirbelung gestört ist. Eigentlich ein guter Start für einen kurzen Flugtag. Eigentlich …
In der Werkstatt finden Mechaniker einen total verstellten Magneten. Da hat wohl jemand beim Hersteller eine Mutter nicht richtig angezogen. Der Fehler ist schnell behoben und die Maschine startet wieder wie an ihrem ersten Tag…
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Landeanflug auf Ambunti |
In Ambunti war nur ein kurzer Stopp geplant, um Fracht auszuladen. Dann sollte es gleich weiter gehen. Daraus wurde aber nichts. Ein Passagier aus Wewak hat es sich wieder in der Kabine auf seinem Sitz bequem gemacht und wartete gespannt auf den Weiterflug nach Blackwara. Er ist ein Einheimischer, der schon öfters mit MAF geflogen ist. Mit der Ruhe der Einheimischen beobachtet er, wie ich die Kabinentüre schließe und auf dem Pilotensitz Platz nehme. Mit dem Umlegen der Hauptschalter an der Decke fangen die Lüfter an zu surren und ein paar Lichter im Cockpit leuchten auf. Das Geräusch der Kraftstoffpumpe ist ein unangenehm hohes Surren, das normalerweise nur für 3 Sekunden zu hören ist. Dann rufe ich „Clear Prop“, was soviel heißt wie: „Achtung der Propeller dreht sich gleich!“, und der Startermotor beginnt die schwere Arbeit, den Propeller mitsamt den ganzen Innereien eines Sechs-Zylinder-Motors zu drehen.
Pilot und Passagier erwarten, dass der Motor gleich mit einem mächtigen Schütteln erwacht und seinen lärmenden Dienst an der Flugzeugnase aufnimmt. 10 Sekunden verstreichen, ohne dass eine Zündung in einem der sechs Zylinder den Startermotor befreit. So was passiert schon mal, wenn der Motor nach einem 40 Minuten Flug heiß ist und der Kraftstoff in den Benzinleitungen verdampft, bevor er in die Zylinder kommt. Piloten nennen das „Dampfblasenbildung“. Wenn das passiert, kommt zu wenig Kraftstoff in die Zylinder, um ein zündfähiges Gemisch aus Kraftstoff und Luft zu produzieren. Gut, dann probieren wir es noch einmal.
Wieder surrt die Kraftstoffpumpe für drei Sekunden und ich rufe mein „Clear Prop“. Wieder verrichtet der Startermotor seinen Dienst und dreht die 300 PS Maschine für den Start. Der Hersteller hat eine maximale Startdauer von 10 Sekunden vorgeschrieben, damit der Startermotor nicht überhitzt. Nach Ablauf der Zeit braucht der Starter eine Erholungspause von 20 Sekunden. Es kommt nicht auf die Sekunde an, aber das Prinzip soll die Lebensdauer aller am Startprozess beteiligten Komponenten erhöhen.
Wieder keine Zündung in den Brennräumen. Der Passagier fragt nervös in der Ausdrucksweise der Papua Neuguinesen, ob der Motor eine „Krankheit“ hat. „Ja, ja“ antworte ich, „aber es ist nur eine kleine Krankheit. Bestimmt springt der Motor gleich an“.
So schnell sollte es aber nicht gehen. Nach sechs erfolglosen Startversuchen schlägt der Hersteller in seinem Flughandbuch vor, dass man dem Motor eine 30-minütige Pause gönnt, bevor man wieder für sechs mal 10 Sekunden den Starter bedienen darf.
Also gönnen sich Pilot und Passagier 30 Minuten an der „frischen“ Luft (35ºC oder mehr...). Ich schraube die zwei Motorhauben ab, damit der Motor besser abkühlen kann. Die Zylinder sind noch heiß vom Flug von Wewak nach Ambunti. Weil Piloten gerne messen, gibt es ein elektronisches Motor-Daten-Überwachungsinstrument. Das Instrument verrät mir, dass die Zylinder noch ca. 140 ºC haben. Ganz schön heiß. Nach ca. 30 Minuten Abkühlphase liegt die Temperatur gerade mal bei 80 ºC. Das ist doch jetzt schon ganz schön kalt, denke ich mir und scheuche meinen Passagier wieder auf seinen Sitzplatz. Schnell, schnell, wir haben schließlich schon eine Menge Zeit verloren. Wenn ich jetzt starte, dann komme ich um 14 Uhr in Wewak an und bin fertig für die Woche.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Motor schwer anspringt. Aus vergangenen Erfahrungen weiß ich, dass es ein paar Tricks gibt, mit dem man den Motor überlisten kann. Die Kraftstoffpumpe surrt wieder unangenehm hoch und diesmal für ein paar Sekunden länger. Mein Passagier ist diesmal gespannt und beobachtet ruhig, wie ich den Starter betätige und sich der Propeller dreht. 10 Sekunden lang geschieht nichts anderes als das. Keine Zündung und kein Hinweis darauf, dass der Motor anspringen mag. Gut, ich habe noch andere Tricks auf Lager. Schließlich hat es früher auch schon geklappt: Gashebel ganz auf, Gashebel halb auf, Gashebel fast zu, Kraftstoff für 1 Sekunde einspritzen, für 3 Sekunden, für 10 Sekunden oder überhaupt nicht. Nichts.
Die sechs erlaubten Startversuche verstreichen, ohne das der Motor tut, was er soll. Jetzt ist guter Rat teuer und ich entscheide mich für eine längere Verschnaufspause für Motor, Pilot und Passagier. Eine Stunde lasse ich den Motor abkühlen. Ein einheimischer Polizist kommt schon an das Flugzeug und fragt mich, ob er beim Anschieben helfen kann. Nachdem ich ihm für seine Idee gedankt habe, möchte er mir eine kalte Coca-Cola kaufen, denn er war gerade letzte Woche einer meiner Passagiere. Ich freue mich schon auf eine Erfrischung.
Offene Motorhaube meiner GA8 (hier in Hauna) |
Inzwischen habe ich mein restliches Flugprogramm für den Tag für gestrichen erklärt und bespreche mit meinem Passagier, dass, wenn der Motor jemals wieder anspringen sollte, dann werden wir umkehren und wieder nach Wewak zurückfliegen, wo wir vor gut drei Stunden gestartet sind. Über das Handy gebe ich meiner Base in Wewak Bescheid, dass ich feststecke und so lange probiere, bis ich den Motor starten kann. In Ambunti zu übernachten ist nicht das schlechteste. Dort gibt es eine Missionsstation, die von einem kanadischen Ehepaar betreut wird. Ich könnte also mit einem Bett rechnen und vielleicht auch mit etwas zu essen. Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass ein kalter Motor am Morgen besser anspringt als tagsüber. Die tagsüber 40 ºC Außentemperatur sind schließlich erheblich.
Schade nur für den Passagier, der wegen technischen Schwierigkeiten nicht zu seinem Ziel kommt.
Ich mache mich an die nächste Startversuchsreihe. So lange die Batterie noch mitmacht, gebe ich nicht auf. Wenn der Motor anspringt, dann kann die Batterie wieder laden. Wieder durchlaufe ich die normalen Startprozeduren und höre zum ersten Mal seit über drei Stunden so etwas wie eine Zündung. Ein „Plopp“ im Auspuffkanal, dann ist alles wieder wie zuvor. Das Surren der Kraftstoffpumpe und das Orgeln des Anlassers. Ich versuche es gleich noch einmal und übersehe dabei bewusst die vom Hersteller empfohlene Startverzögerung. Irgendwann, wenn die normalen Prozeduren nicht mehr funktionieren, dann müssen neue Prozeduren her. Ich kann dem Motor einen doppelten „Plopp“ entlocken und dann noch ein bisschen mehr. Plötzlich springt die Maschine an. Ich bin ganz fassungslos und kann es selbst kaum glaubne. Was um alles in der Welt hat die Maschine daran gehindert, vor drei Stunden anzuspringen? Ich weiß jetzt auch nicht so genau, was ich machen soll. Die Maschine läuft im Leerlauf und die Kabinentür ist noch auf, damit der Passagier keinen Hitzekoller bekommt. Ich lasse alles so, wie es ist und freue mich erstmal an dem kühlen Propellerwind, der durch meine offene Pilotentür weht. Ich checke die Batterie und sehe einen exorbitanten Ladestrom, den ich noch nie zuvor gesehen habe. Besser, ich schalte jetzt keine elektrischen Geräte an, um die Lichtmaschine nicht noch mehr zu belasten. Kann die Lichtmaschine eigentlich Feuer fangen, wenn sie so schwer arbeiten muss? Mir gehen da ein paar Fragen durch den Kopf, die später vielleicht relevant sein könnten. Minuten verstreichen, in denen ich die Drehzahl verändere und die Batterieladung kontrolliere. Nur nichts überstürzen. Wenn der Motor einmal läuft, dann läuft er.
Die Kabinentüre ist verschlossen und alles ist bereit für den Start. Jetzt geht es nur noch nach Hause.
Zurück an der Base in Wewak telefoniere ich mit unserem Chefmechaniker. Er erklärt mir, dass ich nur die falsche Technik angewendet habe. So etwas hört man als erfahrener GA8 Pilot nicht so gerne und ich erkläre mich dazu bereit, am kommenden Montag nochmals dieselbe Maschine zu fliegen.
Der Montag kommt.
Das Programm sieht wieder nur drei kurze Sektoren vor. Der für das Flugprogramm zuständige einheimische Mitarbeiter weiß um die Startschwierigkeiten und macht schon kurze Programme. Von Wewak nach Tinboli sind es 20 Flugminuten. Ich lande und ein Passagier steigt aus. Jetzt habe ich nur noch 160 kg medizinische Versorgungspakete für Nungwaia an Bord. Die Zeit am Boden in Tinboli ist sehr kurz. Ich steige schnell wieder ins Cockpit und versuche die Maschinen zu starten. Es dauert wieder drei Stunden, bis der Motor anspringt. Doch am Ende kommt es mir so vor, als hätte ich ein neues Geheimnis der Starttechnik entdeckt.
Ich mache mich auf und fliege nach Nungwaia. Schließlich wartet das Krankenhaus schon ein paar Wochen auf die Nachschubmedikamente. Ich höre meinen Kollegen Brad im Sepik fliegen und funke ihn an. Er ist ganz in meiner Nähe und kann mir helfen, falls ich die Maschine in Nungwaia wieder nicht starten kann.
Rechts mein bockiger Airvan, links Brad´s Maschine. Die Leute finden es spannend, zwei Flugzeuge auf einmal im Dorf zu haben! |
Ich hätte nicht gedacht, dass ich mein Flugzeug in Nungwaia zurücklassen muss und mit Brad nach Wewak fliege. Weder ich noch Brad konnten den Motor zum Starten überreden. Am nächsten Tag setzt mich mein Kollege wieder in Nungwaia ab, damit ich mein Flugzeug nach Wewak zurückfliege, falls der Motor anspringt. Falls nicht, dann holt mich Brad am Nachmittag wieder ab und bringt gleichzeitig Mechaniker. Es ist gut, einen Plan B zu haben, aber diesmal muss ich nicht gerettet werden. Der Motor springt nach vier Versuchen an und ich kann nach Wewak fliegen.
Jetzt ist die Maschinen für die restliche Woche an den Boden gebunden. Die Mechaniker wollen keinen Flug mehr zulassen außer einen. Von Wewak nach Mt. Hagen in die Werkstatt und irgendwie startet der Motor zwei Tage später und nach knapp 20 Versuchen und lässt uns diesen Flug durchführen.
In der Werkstatt finden Mechaniker einen total verstellten Magneten. Da hat wohl jemand beim Hersteller eine Mutter nicht richtig angezogen. Der Fehler ist schnell behoben und die Maschine startet wieder wie an ihrem ersten Tag…
Das Expertenteam: Bert, Trevor und sogar ein Ingenieur von Lycoming |
1 Kommentar:
Spannende Geschichte. An den Magneten hätte ich wirklich nicht gedacht. Das ist ein sehr seltener Fehler.
Gruss
Lupo
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